(K)ein Festival

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Mitten im Nirgendwo im Irgendwo: Da das Navi „A Summers’s Tale“ nicht kannte, tat es auch die Eingabe von links neben Lüneburg und schwups war ich in einer anderen Welt.

In einem Waldstück bei Luhmühlen hatten fleißge Wichtel ein Entschleunigungsparadies aufgebaut. Das viertägige Festival ist ein Zauberwald für alle: Zirkuszelt für die Kleinen, Kunst- und Designmarkt und Bierbrauworkshops sind nur einige der unzähligen Möglichkeiten. Kurz durchatmen, entscheiden – endlich fokussieren ist schließlich eines meiner Ziele der Reise – und dann ab ins grüne Wunderland.




Lame, Alter!

Als 30jährige zum ersten mal auf einem Festival sein – damit bin ich offensichtlich
eine der lame-sten Personen auf dem Platz. Eine fragt mich, ob sie mich anfassen darf.

Ein kleiner Kurzurlaub

Alle erzählen mir. „Also eigentlich ist ein Festival ganz anders, als das hier“.
Alle Altersklassen sind vertreten, es gibt neben Konzerten ein riesiges Angebot an Workshops, Lesungen, Vorträgen und Freizeitaktivitäten. Die Kinder können bei Oliver Stelzen laufen lernen oder einen Ausflug mit dem Kanu unternehmen. Die Eltern können währenddessen einen Lachs-Döner (das ist DAS neue Ding) oder einen Pulled-Pork-Burger zum Mittag essen. Für die Veganer ist auch was dabei.

Vom Zuständigen für das Food Konzept – es gibt für alles einen Beruf – erfahre ich, dass es etwas dauerte, bis man die regionalen Unternehmen überzeugen konnte, das selbstgebraute Bier oder den Schafskäse, der sonst nur an die Bewohner im Umkreis verkauft wird, anzubieten. Auf Fast Food Stände, die schnelle einfache Lösung, wird bewusst verzichtet.





Man kann wunderbar entschleunigen, in der Hängematte liegen oder bei einem der Thaimassage- und Yogakurse teilnehmen. Am Tresen steht man ordentlich in der Schlange an, es gibt keine Ausfälle, Alkoholleichen oder sonst wen, der aus der Reihe tanzt.





Es ist ein Komfort-Festival. Kein Vergleich zu anderen großen Festivals, wie ich von vielen Besuchern zu hören bekomme.
Man merkt, die Generation Y bekommt auch langsam Kinder – will aber, wie man sie kennt, auf nichts verzichten. Die Schanzen-Eltern verdienen verhältnismäßig gut und sind bereit für Qualität Geld auszugeben. Das hat der Veranstalter wohl auch erkannt.

Und so ist ein Großteil der Foodtrucks bereits am zweiten Tag ausverkauft. Der typische Festivalbesucher isst günstiges Mundbrot und fokussiert sich auf den Drogenkonsum.

Nennt man das jetzt „bewusstes“ Feiern?

Zum Tag des Bieres nehme ich an einem Bierbrauworkshop teil und lerne etwas über den Begriff slow beer. Am Nachmittag lausche ich 2 professionellen Reisebloggerinnen beim Vortrag. Die verdienen tatsächlich ihr Geld dort, wo andere Urlaub machen! Da kann man fast neidisch werden. Nach kurzer Zeit wird allerdings klar – so entspannt ist das gar nicht. Die Instagram Fotos müssen makellos sein, sind nicht mit dem Handy aufgenommen, sondern von einer Profi Kamera. Die beiden, kennen ihre Zielgruppe ziemlich genau und wissen daher welche Themen für das Publikum interessanter sind und welche Fotos am besten performen. SEO ist kein Fremdwort für die beiden und ich frage mich, was das nun überhaupt noch mit Urlaub zu tun hat?

Im anschließenden Gespräch erzähle ich ihnen, wie schwer es mir fällt die Waage zwischen meinen social media Aktivitäten und dem eigentlich Sinn der Reise – der Entschleunigung, zu halten. Ich frage sie, ob sie nicht manchmal gestresst sind, wenn man den Blogbeitrag von gestern und vorgestern noch auf dem Zettel hat und das jetzt irgendwie unterschreiben muss, obwohl man eigentlich lieber ein Bier trinken würde. „Kein Problem, macht alles totaaal Spaß!“ – bekomme ich zu hören. Glauben kann ich das nicht wirklich, denn eine der beiden erzählt, dass es sehr wohl „Smartphone-freie Tage“ gibt. Daran würde man sich wohl kaum halten, wenn man sich null gestresst fühlt. Ich frage mich auch, ob das der persönlichen Weiterentwicklung gut tut, bzw. ob man sich überhaupt weiterentwickeln kann. Man weiß schließlich, was den Lesern gefällt und danach richtet man sich offensichtlich – wenn man damit sein Brot verdient. Man muss den anderen gefallen.





Jede der beiden hat über 15000 Fans auf facebook und ähnlich viele Follower auf Instagram.
Twitter, snapchat und der ganze andere Kram sind natürlich auch am Start. Das Smartphone liegt während des Vortrags immer an der Seite. Ich frage, ob es denn mal so was wie einen Stalker gab. „Viele kennen uns durch unsere Profile und Berichte im Netz. Die denken, wir sind jahrelange Freunde, aber für uns sind es Fremde. Wir haben sie noch nie gesehen.“ Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Beide Seiten. Wenn man täglich am Leben einer fremden Person teilhaben darf, verschwimmen irgendwann die Grenzen. Für denjenigen ist es schließlich keine fremde Person mehr. Kann man mit jemandem befreundet sein, obwohl die Kommunikation nur in eine Richtung stattfindet? Da sind sie unsere Neuzeit-Probleme. Ganz schön gestört irgendwie.

Das Festival Fazit

Die Profis sagen, meine Festivalstrichliste steht immer noch bei null, da das kein Festival war. Für mich kann ich sagen, ich belasse sie bei null. Wenn es darum geht mit ner Tüte Pommes im Arm im falschen Zelt aufzuwachen, weil man vor lauter Feierei nen Filmriss hat, dann bin ich vielleicht wirklich ein paar Jahre zu spät dran. Doch ab und zu kann man auch mal was verpasst haben.









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